Geschichte/Chronik

Vereinsgeschichte

„Alles“ begann mit … Annika.

Eine „normale“ Schwangerschaft, ohne Auffälligkeiten.
Eine „normale“ Geburt, ohne Komplikationen.
Und dann, im Arm, ein süßes, kleines Mädchen
und der Verdacht, dass sie das Down-Syndrom haben könnte.

„Schauen sie Frau Schmidt. Selbst wenn sie mongoloid ist, diese Kinder sind so lieb und anhänglich und so musisch und überhaupt, machen sie sich ´mal keine Sorgen, es ist ja nur ein Verdacht.“

Der Boden unter mir tat sich auf, meine Knie wurden weich. Was hatte ich von einem musischen Kind – alles Klischees, ich fühlte Wut, war verzweifelt. Ich nahm meine kleine Annika und alles um mich herum verschwamm.

Keinen Augenblick mehr zweifelte ich daran, dass sich die Diagnose bestätigen würde. Ich hatte mich doch schon die ganze Zeit gefragt, von wem sie das runde Gesicht hat. Und sie war so schlapp, trank nicht und hatte einfach keine Kraft. Eine Magensonde war im Gespräch. Und eine starke Gelbsucht kam hinzu.

Wie sollte ich das meinem Mann sagen. Er war so glücklich. Alle waren so glücklich. Wie verbreitet man so eine Nachricht?

Ich kannte Menschen mit Down- Syndrom. Halt, ich kannte niemanden! Ich hatte ein Bild von Ihnen. Hier und da begegnete man einem, meist korpulenten, sich schwerfällig bewegenden Erwachsenen, der an der Hand seiner Mutter lief. Ich wusste, sie gehen in Schulen für geistig Behinderte und sind auf Hilfe angewiesen.

Das genau war das größte Problem meines Mannes.“ Was ist, wenn wir nicht mehr sind?“

Wir haben gemeinsam viel geweint, das Leben betrauert, das wir uns ausgemalt hatten zu dritt und nun nicht haben sollten. Dabei waren wir uns immer sicher.

Wir nehmen das LEBEN MIT DOWN-SYNDROM an.

Unsere Familien und Freunde reagierten zwar bestürzt, nahmen Annika jedoch ebenfalls als neuen Erdenbürger in ihr Herz auf.

Wir alle wollten nun wissen, womit wir es denn eigentlich zu tun haben. In Lexika war von geistiger Behinderung, Idiotie und ähnlichem zu lesen. Gute Fachliteratur war schwierig aufzutreiben. Die Information durch eine Oberärztin aus dem Kinderkrankenhaus brachte etwas Licht in das Dunkel, reichte uns jedoch nicht aus. Das Internet war uns vor 14 Jahren noch nicht zugänglich.

Als Annika nach zehn Tagen das Krankenhaus verlassen durfte – sie hatte angefangen, etwas aus der Flasche zu trinken, und der vermutete Herzfehler hatte sich nicht bestätigt – erfasste mich Panik. Wie würde das wirkliche Leben nun aussehen? Nun gab es niemanden mehr, den ich fragen konnte. Bei Annika war doch so vieles anders, konnten mir Mütter von Kindern ohne Behinderung überhaupt raten?

Der Besuch beim Kinderarzt tat gut. Von der Krankenhausärztin wussten wir, dass Annika Krankengymnastik brauchen würde. Unser Kinderarzt klärte uns über weitere Therapien auf. Wir hatten das große Glück auf jemanden zu treffen, der bereits viele Kinder mit Down- Syndrom betreute und für damalige Verhältnisse sehr fortschrittlich dachte. 4 Wochen hat es gedauert, bis ich den Mut hatte, Termine zu machen und bei der Frühförderstelle anzurufen. Mit jedem Mal, dass ich das Wort“ Down- Syndrom“ aussprach ging es mir leichter über die Lippen. Die Frühförderstelle betreute uns im ersten Jahr sporadisch. Frau Edler stand uns als Gesprächspartner zur Verfügung und stellte den Kontakt zu Familie Päglow aus Unna her, die uns bald besuchten.

Ich weiß noch genau, wie erstaunt ich war und erleichtert, dieses 2-jährige Kind zu erleben. Ann Christin konnte alle Körperteile benennen, sprach schon einzelne Worte und wirkte wach und aufgeschlossen. Mein Bild wurde langsam korrigiert.

Heute weiss ich:

DAS Down-Syndrom gibt es nicht.

Familie Päglow nahm uns mit nach Iserlohn. Dort gab es eine Selbsthilfegruppe, geleitet von Frau Dr. Barbara Oberwalleney. Dieser Gruppe verdanken wir sehr viel. Hier erhielten wir wichtige Informationen über Fördermöglichkeiten, Erziehungsfragen, Schwerbehindertenausweiss und vieles mehr. Hier konnten wir uns mit anderen Betroffenen unterhalten, von deren Erfahrungen profitieren und andere Kinder erleben.

Aber Iserlohn war weit weg und als es irgendwann um die Frage nach dem richtigen Kindergarten ging, freuten wir uns sehr über einen Aufruf in der Zeitung. „Familien mit Kindern mit Down-Syndrom gesucht!“ Familie Ickeroth aus Werne suchte auf diese Weise Kontakt zu anderen Eltern aus dem Umkreis. Sie hatte 1995 die Selbsthilfegruppe gegründet. Wir wussten davon nichts und es hätte doch so gut getan, direkt mit jemandem sprechen zu können. Selbstverständlich gingen wir hin. Die Treffen fanden in einer Schule in Werne statt.

Schnell wuchs der Kreis. Die Familien Päglow und Knegt aus Unna, Familie Gaber aus Kamen, Familie Kirsch aus Bergkamen und einige mehr. Wir alle genossen es, vor Ort im Kreis Unna, unsere Anliegen mit Gleichgesinnten besprechen zu können. Irgendwann mussten wir uns einen anderen Raum für unsere Treffen suchen. Die Kindertageseinrichtung Wichernhaus in Bergkamen gewährte uns Asyl. Wir trafen uns nun regelmäßig, einmal monatlich zu einem Spielnachmittag mit den Kindern, an dem wir alle viel Spaß hatten.

Nicht nur dafür sind wir dem Kindergartenteam sehr dankbar. Von ihm kam auch die erste Spende für unsere Gruppe im Juni 1998. Mit 700 Mark, dem Erlös aus einer Veranstaltung wolle man, so die Leiterin des Kindergartens Christiane Fuhrmann unsere Arbeit unterstützen, für Kinder mit Down-Syndrom integrative Möglichkeiten zu schaffen, sie zu fördern sowie Kontakte zwischen den betroffenen Familien herzustellen.

Hilfe… wir bekamen eine Spende! Der erste Pressetermin! Wir wurden wahrgenommen!.

Wir mussten konkrete Ziele formulieren. Sicher im Kopf war alles da! Es durfte nicht mehr so schwer sein für Familien Kontakt zu finden. Es sollte leichter sein für Eltern an fachliche Informationen zu gelangen. Visionen integrativer Angebote vor Ort hatten wir jede Menge. Die Öffentlichkeit sollte informiert, Vorurteile mussten abgebaut werden. Die Gesellschaft sollte sich mit uns auseinandersetzen, sollte unsere Wut und unsere Verzweiflung mitbekommen, wenn unsere Kinder aussortiert und „in Schubladen“ gepackt wurden.

Wir wollten uns selber fit machen durch Fachvorträge, Referenten einladen. Wollten uns gegenseitig stützen etc. etc. und nun diese Spende. Soviel Geld. Musste da nicht eine feste Struktur her?

Nein – ich wollte keine Vereinsmeierei.
Ja – wir würden noch ernster genommen, hätten mehr Möglichkeiten.

So trafen wir uns erstmalig im Wohnzimmer von Familie Kirsch, um das Gedankengewusel in unseren Köpfen zu sortieren. Abwechselnd schaukelten wir das Körbchen der gerade geborenen Katharina und redeten uns die Köpfe heiß. In meinem Bauch wuchs unsere Tochter Imke heran. Wir würden Verein werden. Eine Satzung musste her. Ein Name. Viele Erfahrungen, die wir bis dahin gemacht hatten, schöne, aber auch schmerzliche, flossen ein. Die Auseinandersetzung brachte jeden von uns in seiner persönlichen Entwicklung ein großes Stück voran.

Ängste wurden ausgesprochen, unterschiedliche Meinungen mussten zusammengefasst werden. Schon damals übten wir „respektvoll“ zu streiten. So unterschiedlich unsere Kinder sind, so unterschiedlich sind auch die Familien. Müde, aber dem Ziel näher gekommen trennten wir uns, bis zum nächsten Treffen.

Zur Gründungsversammlung, am 08.10.1998, lag dann tatsächlich eine Satzung vor mit der alle zufrieden waren, es gab einen ersten Flyer, mit dem wir uns vorstellen konnten und es gab 4 Familien, die bereit waren ein Amt zu übernehmen, an das sie niemals vorher gedacht hätten. Wir stellten uns der Herausforderung. Mensch, was war ich aufgeregt!! Würden überhaupt genug Leute kommen? Im Wichernhaus trafen wir uns am 8. Oktober und 17 Menschen unterschrieben das Gründungsprotokoll.

Geschafft!!!!!!!!!!

Die INITATIVE DOWN-SYNDROM – KREIS UNNA E. V. war geboren.

Alle Formalitäten kamen im Anschluss daran. Nie werde ich vergessen, als wir beim Notar saßen (Imke war inzwischen geboren und lag im Maxi-Cosi) und inständig hoffte, dass sie nicht los schrie. Das ist unser Leben und bis heute gehört die ganze Familie dazu. Die Kinder der Gründungsmitglieder sind Teenies geworden. Immer noch steht die Selbsthilfe an erster Stelle, aber mit den Kindern sind die Aufgaben gewachsen. Wir haben eine Menge erreicht, doch es gibt noch viel, viel mehr zu tun.

JEDER MENSCH HAT SEINEN WERT IN SICH UND MÖCHTE,
SO WIE ER IST, GELIEBT UND GEACHTET SEIN.

Bis das in unserer Gesellschaft gelebt wird, werden wir weiter die Köpfe zusammenstecken, Inhalte überdenken, gemeinsam lachen und weinen, uns auseinandersetzen, weitermachen!
Heike Schmidt

Chronik – Wie alles begann

1998, Oktober Gründungsversammlung im Wichernhaus
1999, Juli 1. Sommerfest (im Garten von Fam. Gaber)
1999, Oktober 1. Familienwochenendfreizeit
2001, August 1. Sommerfest auf dem Hundeübungsplatz, Bergkamen
2002, Mai 1. Ausgabe der Vereinszeitung „Initiative DS“
2002, September Internet-Auftritt ist erstmals online
2003, April Mitglied im Deutschen Down-Syndrom Netzwerk
2003, Juni Bezug des Büros im Heinrich-Martin-Heim (AWO, Bergkamen) mit Einführung wöchentlicher Sprechstunden
2003, September Übernahme des Vorsitzes im Sprecherrat der organisierten Selbsthilfegruppen im Kreis Unna (bis Oktober 2007)
2003, Oktober Jubiläumsfeier zum 5-jährigen Bestehen und Ausstellung „Leben mit Down-Syndrom“ in Bergkamen, Kamen und Unna
2004, Mai Integrative Tanzgruppe startet Training
2004, September 1. Freizeit für Kinder mit Down-Syndrom
2004, September 1. Auftritt der Tanzgruppe (Reha-Care)
2004, September Übernahme der Patenschaft für einen Kreisverkehr in Bergkamen bis Dezember 2007
2005, Oktober Mitorganisator der bundesweiten Fachtagung „Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom“ in Augsburg
2006, August 1. Ausgabe der e-infos
2006, November Auftritt der Tanzgruppe zur Auftaktveranstaltung der Spendenaktion 10ct im Advent im Beisein des NRW-Ministerpräsidenten
2007, März Begrüßung des 200. Mitgliedes
2007, Mitarbeit am Tanztheater-Projekt Peer Gynt
2008, Januar Mitgliedschaft im BSNW
2008, April IDS dreht den „Tatort“
2008, Oktober Mitorganisator der bundesweiten Fachtagung „Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom“ in Hamburg
2008, Oktober Galafeier zum 10-jährigen Bestehen
2010, März Der erste Beirat wird gewählt
2011, 1. integratives Fußballtraining mit der Jugendsportgemeinschaft Unna Billmerich
2011, September Mitorganisator der bundesweiten Fachtagung „Perspektiven für Menschen mit Down-Syndrom“ in Köln
2011, Oktober Aufführung des Tanzicals „Tarzan – 2 Welten, 1 Familie“
2013, Januar Gründung der NeuEinstellung Inklusive gGmbH
2013, September Ur-Aufführung des Tanzicals „Sister Act – Glaub an Dich“